Leseprobe Mara

 

 

Im Wald

Regungslos stand das kleine Mädchen mitten in der Wiese im regennassen Gras und ihre Augen suchten die Wolkendecke ab, die grau und bleischwer über der Landschaft hing.

Es war die Zeit der düsteren Tage. Seit Wochen regnete es beinahe ununterbrochen und es war, als hätte jemand einen dichten Vorhang gezogen, durch den nur noch ein schwaches Licht drang, das die ganze Welt in einen trüben, grauen Schimmer hüllte. Die Menschen wurden täglich lustloser und fast machte es den Anschein, als glaubten sie nicht mehr daran, je wieder einen Schimmer der Sonne zu erblicken, die es längst aufgegeben hatte, sich einen Weg durch diese dicken Wolken zu suchen.

Jeden Tag stand die kleine Mara hier an der gleichen Stelle und starrte oft stundenlang nach oben, um irgendwo ein kleines Stück blauen Himmels zu erspähen. Schwere Regentropfen fielen in ihr Gesicht und die Kälte von Regen und Freudlosigkeit drang dem Kind von den durchnässten Füssen direkt ins Herz.

 

 

Bisher waren Maras Versuche, mit ihrem Blick die Wolken zu durchdringen, immer fehlgeschlagen. An diesem Morgen jedoch geschah es unvermittelt, dass das allesbedeckende Grau für einen Augenblick aufgerissen wurde und ein einzelner Sonnenstrahl, durch das Loch der vorbeiziehenden Wolken schlüpfend, zur Erde fiel.

Einen Moment lang lag er auf Maras Gesicht, wobei er für die Dauer eines Herzschlages dem Kind direkt in die Augen schien. Dann wanderte er weiter und verschwand im Wald ganz in der Nähe. Ehe das Mädchen sich richtig klar wurde, was passiert war, schoben sich die Wolken wieder zusammen und der Sonnenstrahl war nicht mehr zu sehen.

Man hätte das Ganze für einen Spuk halten können, doch Mara hatte noch immer das Leuchten der Sonne in ihren Augen und glaubte fest daran, dass der Sonnenstrahl sich im Wald versteckt hielt.

Dort wollte sie ihn suchen und würde ihn auch wiederfinden. Irgendetwas in seinem Innern sagte dem Kind, dass an diesem Sonnenstrahl das Glück und die Freude der ganzen Menschheit hing. Fände es erst diesen einen Sonnenstrahl, die Sonne würde sich der Welt wieder zeigen und die Wolken und trüben Gedanken verscheuchen.

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Leseprobe aus: "Mara - Die Seele auf der Suche nach dem Licht"