Die höchste Priorität in unserem Leben hat die Atmung. Mit einem ersten, tiefen Atemzug beginnt jedes neugeborene Kind sein eigenständiges Leben und mit einem letzten Atemzug beendet jeder von uns sein irdisches Dasein. Atem ist also gleichbedeutend mit Leben.
Atem versorgt unseren Körper mit Sauerstoff und erfüllt uns mit Lebenskraft. Es lohnt sich also bestimmt, während des Tages immer wieder einmal auf unsere Atmung zu achten und dabei zu beobachten, wie wir atmen.
Wir können uns selbst fragen: Wie atme ich normalerweise? Fliesst mein Atem ruhig und regelmässig? Und: Wie atme ich bei Aufregung und Stress? Atme ich in einer herausfordernden Situation noch immer gleich ruhig und tief, oder atme ich schneller, verfalle ich in ein oberflächliches, flaches Atmen?
Wohl die meisten Menschen werden bei dieser kurzen Prüfung ihres Atemverhaltens feststellen, dass eine Aufregung sich unmittelbar auf ihre Atmung auswirkt. Möchten wir künftig dahin kommen, unser Leben mit all seinen kleineren und grösseren Herausforderungen besser zu bewältigen, dann kann das Beobachten und bewusste Beherrschen des Atems sehr hilfreich sein.
Wenn wir das nächste Mal eine wichtige Besprechung vor uns haben, atmen wir, schon ehe die Sitzung beginnt, ein paarmal bewusst tief ein und aus. Bleiben wir mit dem Bewusstsein in der Atmung und gehen dann in dieser ruhigen, inneren, Haltung in das Gespräch hinein.
Die Aufforderung "Bewusst zu atmen" gilt nicht nur bei Aufregungen. Versuchen wir auch im gewohnten Tagesverlauf, immer mit etwa zwei-drittel vollen Lungen zu atmen. Nach einiger Zeit wird uns dies zur Gewohnheit und wir sehen, dass wir durch eine kontrollierte, bewusste Atmung zunehmend entspannter und gelassener werden.
Selvarajan Yesudian sagte oft:
"Wer seinen Atem beherrscht, beherrscht sein Leben!"
"Bewusste Atmung und Selbstbeherrschung sind ein und dasselbe."
Wir haben gesehen, wie unser Atmen in alltäglichen Situationen unsere mentale Verfassung spiegelt. Betrachten wir nun die Atmung aus Sicht der Yoga-Wissenschaft.
IN YOGA KOMMT DER ATMUNG EINE ZENTRALE BEDEUTUNG ZU
Hatha-Yoga – eine Kombination von Atmung und Körperübungen.
Durch die Körperübungen baue ich mir einen gesunden, schönen Körper,
und durch die Atemübungen entwickle ich Selbstbeherrschung,
denn bewusstes Atmen und Selbstbeherrschung sind ein und dasselbe.
Die Atmung hat in Yoga einen hohen Stellenwert – nicht nur in Bezug auf körperliche Gesundheit und nervliche Belastbarkeit, sondern auch für unser ganzheitliches Befinden als "Körper-Seele-Geist-Einheit".
Durch die Atmung versorgen wir unseren Körper mit Sauerstoff. Unser ganzer Stoffwechsel, die Muskeln und vor allem unser Gehirn benötigen enorm viel Sauerstoff. Dem tragen wir durch die Vollatmung Rechnung: Wir beleben und harmonisieren unseren Kreislauf und steigern unsere Muskel- und Gehirntätigkeit. Durch die erhöhte Sauerstoffzufuhr wird zudem unser Blut in hohem Masse von Schlacken und Giftstoffen befreit, so dass wir mit der Vollatmung auch noch unser Blut reinigen und unsere Abwehrkräfte stärken.
REINES BLUT GIBT UNS DIE BESTE IMMUNITÄT GEGEN KRANKHEITEN
Ausser Sauerstoff nehmen wir mit jedem Atemzug auch noch reine Lebensenergie in uns auf. Diese Lebenskraft wird Prana genannt.
Nach der Yogalehre ist alles, was lebt, durch Prana entstanden,
wird durch Prana erhalten und ist immerzu durchdrungen von Prana.
Dies können wir spüren, sobald wir uns ganz bewusst auf unsere Atmung einstellen. Ein einziger, tiefer, Atemzug lässt uns unmittelbar die Lebenskraft im ganzen Nervensystem erleben. Um diese Erfahrung zu machen, atmen Sie einmal tief ein und erleben beim Ausatmen sehr bewusst, wie Lebenskraft durch Ihren ganzen Körper fliesst. Diese Energie, die Sie spüren, ist nicht Sauerstoff, sondern vor allem kosmische Energie.
Wenden wir uns nun unserer täglichen Yogapraxis zu. Jede Übung ist begleitet von einer bewussten, tiefen Atmung. Yoga ist immer eine Kombination von bewusst ausgeführter Atmung und Bewegung.
Bewusst in der Atmung
Bewusst in der Bewegung
Bewusst in der Entspannung
Bevor wir mit unseren Asanas (Körperübungen) beginnen, sitzen wir entspannt, lösen unsere Aufmerksamkeit vom täglichen Geschehen, nehmen uns etwas zurück und kommen als erstes einmal "ganz bei uns selbst an".
Wir ziehen uns mit unserem Bewusstsein ganz in uns selbst zurück und erfahren in diesem Rückzug ein erstes Wahrnehmen von innerer Ruhe und Frieden. Auch diese kurze Zeit des Innehaltens begleiten wir mit einer ruhigen Atmung.
Unser Yogaprogramm beginnen wir immer mit den drei Phasen der Atmung: Der Bauch-Atmung, der mittleren Atmung und der oberen Atmung. Anschliessend gehen wir in die vollständige Yogi-Atmung über.
Fühlen und erleben wir die Wirkung der einzelnen Atmungen:
- Durch die Bauchatmung beleben wir den unteren Körperbereich, das Blut wird vermehrt in die Beine gelenkt. Diese Atmung hat eine "erdende" Wirkung.
- Mit der mittleren Atmung, der Zwerchfellatmung, üben wir einen leichten Druck auf Leber, Gallenblase, Magen, Milz und Bauchspeicheldrüse aus, was ihre Funktion fördert.
- Durch die obere Atmung strömt das Blut verstärkt ins Gehirn. Wir beleben den Kopfbereich, regen die Schilddrüse, das Gehirn und alle Kopforgane in ihrer Funktion an. Mit dieser Atmung öffnen wir uns mehr für die feineren Wahrnehmungen.
- Die volle Yogi-Atmung, bei der wir alle drei Phasen nacheinander ausführen, erfüllt uns mit einer tiefen Ruhe. Wir erleben ganz bewusst, dass der Atem uns mit unserem Körper verbindet.
Haben Sie Lust darauf, mehr über Yoga zu erfahren?